Gemeinwohlorientierung im Kontext von Gamification : eine experimentalökonomische Untersuchung
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Klimakatastrophe oder auch wachsender sozialer Polarisierung dient das Gemeinwohl zunehmend als normative Anspruchskategorie an das kapitalistische Wirtschaftsmodell. Abseits einer politischen Dimension findet im Zuge dieser Arbeit die Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gemeinwohls auf dem wohlfahrtsökonomischen Fundament des Utilitarismus statt. So wird das Gemeinwohl utilitaristisch als Nutzensumme operationalisiert. Gemeinwohlorientierung wird sodann auf individueller Ebene zu einer empirischen Analyseeinheit sozialer Dilemmasituationen, wo Individuen ihre gemeinsamen Interessen regeln. Gemeinwohlorientierung lässt sich daher etwa in der Theorie öffentlicher Güter modellieren, bei deren Bereitstellung sich Individuen in ihren Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Eigensinn und Gemeinsinn befinden. Theoretisch steht das Gemeinwohl dann dem Eigennutzen gegenüber, sodass gemeinwohlorientiertes Verhalten einen Akt der Kooperation beschreibt. Standardökonomisch liegt die sozial optimale Auflösung eines solchen Kooperationsproblems in der Anreizkompatibilität. Anstatt einen anreizkompatiblen Mechanismus zu etablieren, wird die individuelle Gemeinwohlorientierung im Kontext von Gamification zum Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Gamification bezeichnet dabei die Verwendung von spielerischen Elementen in einem spielfremden Kontext. Individuen sollen durch den Einsatz von Gamification selbstständig dazu in die Lage versetzt werden, sozial optimale Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls zu treffen. Dafür werden auf der methodischen Basis eines nicht-linearen Public Good Games Entscheidungsaktivitäten mit Bezug auf den Gemeinsinn aufbereitet. Endogene Handlungskonsequenzen werden spielerisch erlebbar. Insofern bezieht sich die zentrale Forschungsfrage der experimentalökonomischen Untersuchung auf die Auswirkungen einer solchen Bewusstmachung durch Gamification auf das individuelle Beitragsverhalten zum öffentlichen Gut. Zu diesem Zweck wird mit Synergien eine experimentelle Applikation vorgestellt und weiterentwickelt, die erstmals eine trennscharfe Analyse von Gamification in der iv Entscheidungsumgebung eines ökonomischen Experiments zulässt. Die empirischen Befunde der explorativen Voruntersuchung legen dabei offen, dass die spezifische Gamification in der Entscheidungsumgebung von Synergien zu signifikant verringerter Gemeinwohlorientierung führt. Die konkrete Operationalisierung verfehlt das Ziel. Eine eingehende isolierte Betrachtung der implementierten Spieldesignelemente von Rangliste und narrativem Kontext findet im zweiten Experiment statt. Diese Ergebnisse weisen indes darauf hin, dass eine Bewusstmachung im entsprechenden Storytelling des narrativen Kontexts durchaus gemeinwohlorientiertes Verhalten fördert, wobei das Ranglistenelement als Indikator einer sozialen Positionierung die Gemeinwohlorientierung unterdrückt. Die Resultate verdeutlichen, dass die spielerische Ausgestaltung von Entscheidungsaktivitäten auch rückschlagen kann, wenn sich die Wirkrichtungen von Spieldesignelementen konterkarieren. Der adäquate Gebrauch von Gamification zum Zwecke des Gemeinwohls bedarf daher eines tiefgreifenden Verständnisses über die Funktionsweisen verschiedenster Spieldesignelemente. In ihrem innovativen Ansatz liefert die Arbeit insofern speziell erste methodische Erkenntnisse über die Verbindung von Gamification und ökonomischen Experimenten
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