Verhaltensökonomische Aspekte bei Entscheidungen : Theorie und experimentelle Evidenz am Beispiel eines Newsvendor-typischen Recyclingkapazitätsmodells

In komplexen Abwägungsentscheidungen können eine Reihe von vorhersehbaren und doch hartnäckigen Fehlentscheidungen auftreten. Bei ihrer Erforschung erfreut sich das Newsvendor-Modell nach wie vor großer Beliebtheit. Gleichwohl wird die Übertragbar-keit der aus ihm gewonnenen Erkenntnisse wiederholt infrage gestellt.
In der vorliegenden Arbeit wird zunächst ein allgemeineres Entscheidungsproblem mit der Newsvendor-typischen Abwägungsentscheidung vorgestellt, um die Generalisierbar-keit zu erhöhen. Das Anwendungsbeispiel bezieht sich auf den Aufbau von Recycling-kapazitäten für schwer lagerbare Wertstoffe, deren in den nächsten Jahren jeweils ver-fügbare Menge zunächst unbekannt ist. Im ersten Teil der Arbeit wird dieses Problem theoretisch analysiert und mögliche Optima aufgezeigt.
Danach werden mögliche verhaltensökonomische Einflussfaktoren inspiziert, die bei der Entscheidung (ungewollt) ins Gewicht fallen könnten. In der Literatur hat hier insbe-sondere der Ankereffekt an Bedeutung hinzugewonnen. Er beschreibt die Verzerrung der Entscheidungsgröße hin zu einem bestimmten Zahlenwert (dem Anker), selbst wenn dieser keinen informationellen Mehrwert besitzt. Einen zentralen Neuwert der Arbeit stellt dar, aufzuzeigen wie die generelle Anfälligkeit der Ankerverzerrung zu erliegen, individuell gemessen und dann zur Erklärung der Kapazitätsentscheidungen genutzt werden kann. Darüber hinaus werden Hypothesen zum Einfluss des Risikos und der Einstellung zur Umwelt entwickelt.
Mithilfe des ökonomischen Experiments werden dann Entscheidungen von Probanden ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen einen substanziellen Einfluss der individuellen An-kerverhaltensanfälligkeit auf die Hauptabwägungsentscheidung: Menschen, die generell stärker zum Ankern neigen, treffen auch stärker verzerrte Kapazitätsentscheidungen. Risiko- und Umweltpräferenzen treten hierzu in den Hintergrund. Durch die identifi-zierte Entscheidungsverzerrung entstehen potenziell große Ineffizienten beim Aufbau der Recyclingkapazitäten. Hieraus ergeben sich Implikationen für zukünftige Nachhal-tigkeitsherausforderungen (Circular Economy/Ressourceneffizienz). Gleichzeitig wer-den Hinweise abgeleitet, wie solche komplexen Abwägungsentscheidungen besser ge-troffen werden können.

In complex trade-off decisions, several predictable yet persistent biases can occur. For their exploration, the newsvendor model continues to enjoy great popularity. Never-theless, the transferability of the gained knowledge is repeatedly questioned.
This thesis first presents a more general decision problem with the newsvendor-type trade-off decision to increase generalizability. The application example relates to estab-lishing recycling capacities for valuable materials that are difficult to store and whose quantity available in the upcoming years is unknown. Initially, this problem is analyzed theoretically and possible optima are presented.
Next, behavioral economic factors that could (unintentionally) influence the decision are examined. Especially the anchoring effect has gained importance in the literature. It describes the bias of the decision variable towards a specified numerical value (the anchor), even if it provides no added informational value. A central novelty of the thesis is to show how the general susceptibility to the anchoring bias can be measured individually and then used to explain capacity decisions. In addition, hypotheses on the influence of risk and attitudes towards the environment are developed.
The economic experiment is then used to evaluate the real-life decisions of participants. The results show a substantial influence of the individual susceptibility to anchoring behavior on the main trade-off decision: Individuals generally more prone to anchoring also make more biased capacity decisions. Risk and environmental preferences are of less importance. The identified decision bias results in a significant potential for ineffi-ciencies in the buildup of recycling capacities. Implications for future sustainability challenges (circular economy/resource efficiency) follow. At the same time, indications for improving such complex trade-off decisions are derived.

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